Eigentlich mache ich mir nicht so viel aus Silvester. Zumindest nicht aus dem Abend selbst. Anders als bei Weihnachten ist es für meine Familie völlig ok, dass ich diesen Abend mit Freund:innen verbringe. Meistens essen wir gemeinsam, spielen Brettspiele und trinken eventuell das ein oder andere Gläschen zu viel. Meistens endet das in Gesprächen über den Jahreswechsel. Was im alten Jahr gut lief, was weniger gut und was wir uns fürs neue Jahr wünschen.
Irgendwie komisch, oder? Das Jahr ist ein menschengemachtes Gebilde und doch provoziert der Jahreswechsel das Gefühl eines Neuanfangs. Zumindest für mich. Dass Jahre immer wieder Ordner sind, in denen die Erinnerungszettel zusammen abgelegt werden. Gute Jahre, schlechtere Jahre. An Silvester Bilanz ziehen und mit ein paar Vorsätzen und Wünschen auf ins neue Jahr. Manchmal voller Angst, manchmal voller Hoffnung, manchmal ohne irgendeine Erwartung.
Ich bin dieses Jahr voller Hoffnung. Das letzte Jahr lief ganz gut. Ich bin ausgezogen und es war das Schwierigste und gleichzeitig Beste, das ich je gemacht habe. Anfang des vergangenen Jahres saß ich im Zug Richtung Berlin und alles, was ich in meinem Kopf gehört habe, war: „Ich hoffe, meine Mama schafft das alles ohne mich.“ Aber ich habe es ihr zugetraut. Ich musste es ihr zutrauen. Und es lief besser als gedacht. Der Abstand tut unserer Beziehung gut. Als ich nach sechs Monaten vor der Haustür stand und geklingelt hab, waren da zwar viele Sorgen: „Wie schauts daheim aus? Wie wirkt sie? Passt eh alles?“ Aber tatsächlich – alles hat gepasst.
Dann war da natürlich noch Corona. Eine Situation, die wohl einige Neujahrswünsche prägt. Hoffnung, dass 2022 nicht noch einmal alles ordentlich eskaliert. Da sind wir wohl alle gemeinsam am Bangen. Das einzig Tröstende ist, dass es uns allen irgendwie gleich geht.
Was war da noch? Viel Raum und Zeit für mich. Wer bin ich eigentlich, wenn ich mal nur auf mich schaue? In meiner eigenen Wohnung, mit meinen eigenen Regeln. Es gab viele Momente, in denen ich dasaß und mir dachte: „Jetzt bist du also wirklich ausgezogen.“ Dass mir dieser Gedanke nicht auch manchmal Angst gemacht hat, wäre gelogen. Aber das gehört wahrscheinlich dazu. Ich habe vieles über mich gelernt. Dass ich eigentlich ganz gern koche, wenn meine Mama nicht ständig reinquatscht zum Beispiel. Oder dass ich eigentlich ganz gut alleine sein kann. Dass ich mich, schneller als ich es mir gedacht hätte, woanders auch ein bisschen zu Hause fühle. Dass ich es auch ohne meine Eltern kann. Vielleicht habe ich nicht nur gelernt, meiner Mama etwas zuzutrauen, sondern auch, mir selbst etwas zuzutrauen. Uns beiden zuzutrauen, dass wir es ohne einander schaffen.
Meine Neujahrswünsche und Vorsätze dieses Jahr sind bescheiden. Ich nehme mir vor, meine Zimmerpflanzen endlich mal am Leben zu halten (das werde ich wohl hoffentlich früher oder später schaffen). Ich nehme mir vor, vielleicht wirklich mal etwas mehr Sport zu machen (das wird wohl wie immer eher nichts, hat mittlerweile auf meiner Liste aber schon Tradition, darum lass ich es wohl mal stehen). Ich nehme mir vor, öfters mal auch nein zu sagen. Ich weiß, auch das muss ich erst lernen.
In diesem Sinne hoffe ich, dass das Jahr 2021 auch für dich halbwegs in Ordnung war. Wenn du es schaffst, Zimmerpflanzen am Leben zu halten, bist du mir schon einen Schritt voraus. Ich hoffe, auch du findest Raum und Zeit für dich. Dass du Dinge machen kannst, die du einfach mal nur für dich machst, seien sie noch so klein.